Im Rahmen Ihrer Masterarbeit haben Sie sich mit dem Thema „Anwendungspotentiale Künstlicher Intelligenz (KI) im Value Management (VM) und Cost Engineering (CE)“ beschäftigt. Warum haben Sie sich für dieses Thema entschieden?
Ich fand das Thema KI bereits vor dem Studium spannend, doch erst in der Lehrveranstaltung „Data Science und Künstliche Intelligenz“ habe ich einen guten Einstieg dazu gefunden. Die Idee, dieses Thema weiter zu vertiefen und selbst mal anzuwenden, hat mich begeistert. Das Konzept, Künstliche Intelligenz auf Value Management und Cost Engineering anzuwenden, war für mich nur logisch. Diese Themen sind nicht nur Lehrinhalte des Studiengangs Wirtschaftsingenieurwesen Digitalisierung und aktuelle Forschungsgebiete meines Betreuers Prof. Dr. Hecht. Es gab auch einen gewissen Mangel an wissenschaftlichen Untersuchungen zu diesem Bereich und durch meine bisherige Arbeit im Supply Chain Management habe ich selbst ein Interesse daran, Kosten zu sparen und Werte zu optimieren.
Was genau haben Sie in Ihrer Arbeit untersucht?
Meine Masterarbeit beschäftigt sich mit den Anwendungspotentialen Künstlicher Intelligenz im Value Management und Cost Engineering. Insgesamt habe ich 21 Kriterien auf zehn Wertanalyse-Arbeitsschritte angewendet, bei denen einige als besonders geeignet herausstachen. Um diese eher theoretischen Gedanken zu untermauern, habe ich im Anschluss sechs CE- und VM-Experten zu ihren Erfahrungen und Meinungen befragt. Interessanterweise deckten sich diese Erkenntnisse gut mit den theoretischen Ergebnissen im Vorfeld.
Um das Thema noch greifbarer zu gestalten, wollte ich ferner zeigen, wie eine KI-Anwendung zur Kostenschätzung an einem realen Beispiel funktioniert. So habe ich in einer Fallstudie zur Kostenschätzung von Tauchpumpen die praktischen Schritte der Datenerhebung, der Datenaufbereitung, der Modellbildung und der Modellbewertung erklärt. Die Ergebnisse geben einen Einblick in die Fähigkeiten und Limitierungen von Regressionsalgorithmen und erlauben einen Ausblick auf weitere Anwendungsmöglichkeiten. Meine Arbeit resultiert in verschiedenen Anwendungspotenzialen und Handlungsempfehlungen zur Implementierung von KI im Value Management und Cost Engineering.
Welche Erkenntnisse haben sich aus Ihren Untersuchungen ergeben?
Im Ergebnis der Untersuchung hat sich gezeigt, dass die folgenden Arbeitsschritte des Wertanalyse-Arbeitsplans besonders für eine Unterstützung durch Künstliche Intelligenz geeignet sind:
So besitzt KI z.B. beim Sammeln von Daten (bspw. in Form von Marktanalysen) besonderes Potential, die Erhebungen zu automatisieren, zu beschleunigen und bisher unentdeckte Möglichkeiten zu generieren. Im Bereich Cost Engineering sind die Stammdatenbereinigung und das Erkennen von Kostenausreißern oder Gleichteilen als Anwendungspotentiale zu nennen.
In der Kostenanalyse bieten vielfältige Anbieter Kostendatenbanken mit Material-, Lohn- und Fertigungskosten an. Kombiniert mit internen Informationen und in Verbindung mit Maschinellem Lernen können Produkte so klassifiziert, gruppiert und ihre Kosten analysiert werden. Prognosen ermöglichen die Simulation der Auswirkungen verschiedener Einflussfaktoren auf die Kosten. Texterkennung kann in der Funktionenanalyse hilfreich sein. So können aus Werbetexten, Betriebsanleitungen oder Spezifikationen relevante Funktionsbeschreibungen extrahiert, strukturiert und mit ähnlichen Produkten verglichen werden.
Beim Bewerten von Lösungsideen können, neben der Möglichkeit der Kostenschätzung, KI-gestützte Prognosen bei Szenario-Betrachtungen und Machbarkeitsuntersuchungen helfen, die Genauigkeit und Aussagekraft zu erhöhen.
Welche Handlungsempfehlungen können Sie aus Ihren Untersuchungen für die Praxis ableiten?
Gerne beleuchte ich hier einige Beispiele näher. So ist es zum einen zu empfehlen, KI-Methoden zuerst im Cost Engineering anzuwenden – die Kostendaten sind gut gepflegt und häufig bereits digital verfügbar. Die Aufmerksamkeit des Managements für Kosteneinsparungen vereinfacht Budgetfreigaben für entsprechende Software und Weiterbildungen. Die so entwickelten Tools und Erfahrungen können dann auch auf das Value Management übertragen werden.
Weiterhin sollte der Fokus innerhalb einer Firma auf funktionsübergreifenden Anwendungen liegen. Eine geringe Verbreitung von Value Management rechtfertigt kaum die Entwicklung kostspieliger Tools. Stattdessen sollten VM-Verantwortliche nach Parallelen in anderen Tätigkeitsgebieten Ausschau halten und diese zu einer gemeinsamen Entwicklung von Anwendungen ermutigen. So könnten z.B. auch Marktanalysetools des Vertriebs oder Marketings auch für VM-Projekte verwendet werden.
Zusätzlich können sich die Interessenverbände für Value Management und Cost Engineering mit dem Thema Künstliche Intelligenz in ihrem Vertretungsumfang auseinandersetzen. Neben Schulungen und Positionspapieren ist vielleicht auch eine Kooperation mit Technologieanbietern denkbar. Ein auf die Mitglieder der Vereine zugeschnittenes Softwarepaket, mit Testdaten und Tutorials für Lernzwecke und ggf. vorkonfigurierten Visualisierungen für typische Fragestellungen, könnte etwaige Hemmschwellen senken. Das daraus resultierende Best-Practice Wissen in den Verbänden kann dann in aktualisierte Normen und Richtlinien einfließen.
Welche Potenziale sehen Sie bei der Implementierung von KI im Value Management und Cost Engineering für die Zukunft?
Ziel einer KI-Anwendung im Value Management sollte es sein, die zeitaufwändigen und kognitiv anstrengenden Schritte der Datensammlung, Datenanalyse und Datenaufbereitung effizienter zu gestalten. Damit wird den kreativen Prozessen des Value Managements mehr Raum gegeben und die positive Wirkung der interdisziplinären Zusammenarbeit wird unterstützt. Zusätzlich besitzen moderne KI-Algorithmen das Potential, große Datenmengen zu analysieren und neue, bisher unbekannte Zusammenhänge zu erkennen. Dadurch können sie die Generierung neuer Lösungsideen fördern.